01.07.2021 | Der Rechtsbegriff „Verstrickung“ bezeichnet im Rahmen der Zwangsvollstreckung die Beschlagnahme einer beweglichen oder unbeweglichen Sache (sog. Pfändung), einer Forderung oder eines anderen Vermögensrechts durch staatliche Organe, wie den Gerichtsvollzieher, den Vollziehungsbeamten oder das Vollstreckungsgericht. Beschlagnahme meint im Rahmen der Sachpfändungen entweder die Inbesitznahme der Sache, ihr Fortschaffen oder ihre Kennzeichnung und die entsprechende Information des Schuldners. Die Forderungspfändung bezieht sich üblicherweise auf Geldforderungen (Lohnpfändung, Kontopfändung). Mit dieser wird die Forderung des Schuldners beschlagnahmt. Der Drittschuldner darf dann nicht mehr an den Schuldner leisten und die Forderung wird dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen.
Während eines Insolvenzverfahrens kann die Verstrickung einer gepfändeten Forderung dadurch beseitigt werden, dass das Insolvenzgericht als Vollstreckungsgericht die Vollziehung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens aussetzt, ohne die Pfändung insgesamt aufzuheben. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 19.11.2020 entschieden (Az.: IX ZB 14/20).
Der vorgenannten Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Im Jahr 2017 pfändete der Pfändungsgläubiger Ansprüche des Schuldners gegen die kontoführende Bank. Auf einen Eigenantrag des Schuldners wurde im Kalenderjahr 2019 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Der Insolvenzverwalter verlangte die Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses. Das Insolvenzgericht hat den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufgehoben und die Pfändung für unzulässig erklärt. Das Beschwerdegericht hat den Beschluss des Insolvenzgerichts dahingehend abgeändert, dass die Vollziehung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses einschließlich der Verstrickung bis zur Aufhebung des Verfahrens ausgesetzt werde. Die auf Wiederherstellung des Beschlusses des Insolvenzgerichts gerichtete Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.
Das Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto gemäß § 850k ZPO ist nicht in jeder Hinsicht unpfändbar. Die Vorschrift des § 850k ZPO gewährt dem Kontoinhaber einen nicht von einem Antrag abhängigen Pfändungsschutz. In Höhe eines monatlichen Freibetrages kann der Pfändungsschuldner bis zum Ende des Kalendermonats verfügen. Soweit er diesen Betrag im jeweiligen Kalendermonat nicht ausgeschöpft hat, bleibt das verbleibende Guthaben im Folgemonat zusätzlich zum geschützten Guthaben dieses Monats pfändungsfrei. Pfändbar ist der nicht verbrauchte Übertrag erst im zweiten auf die Gutschrift folgenden Monat, wobei Verfügungen des Schuldners jeweils auf das älteste Guthaben anzurechnen sind.
Hier geht es um die Überträge des geschützten Guthabens auf den übernächsten Monat, bei Vorliegen einer Kontoverbindung.
Nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sind Zwangsvollstreckungen einzelner Insolvenzgläubiger in die Insolvenzmasse aufgrund des insolvenzrechtlichen Pfändungsverbotes unzulässig. Ein Pfändungspfandrecht oder ein materiell-rechtliches Verwertungsrecht an der jeweiligen Forderung kann nicht mehr entstehen.
Ein Verstoß gegen das Vollstreckungsverbot hindert jedoch nicht die öffentlich-rechtliche Verstrickung und ist daher von dem kontoführenden Kreditinstitut als sogenanntem Drittschuldner zu beachten. Die öffentlich-rechtliche Verstrickung dauert auch bei einer unter Verstoß gegen das Vollstreckungsverbot vorgenommenen Vollstreckungshandlung solange an, bis ihre förmliche Aufhebung erfolgt.
Die Verstrickung einer gepfändeten Forderung kann während des Insolvenzverfahrens dadurch beseitigt werden, dass der Pfändungsgläubiger eine entsprechende Erklärung gegenüber der Bank abgibt oder, falls er hierzu nicht bereit ist, das zuständige Vollstreckungsorgan die Vollziehung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens aussetzt, ohne die Pfändung insgesamt aufzuheben.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist mehr als eine Aussetzung der Zwangsvollstreckung für die Durchführung des Insolvenzverfahrens nicht erforderlich, da eine vollständige Aufhebung der Pfändung den Pfändungsgläubiger in seiner geschützten Rechtsposition beeinträchtigen würde. Dabei gilt diese Rechtsprechung nur für Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse im Insolvenzverfahren.
Wenn dem Schuldner anlässlich des von ihm geführten Insolvenzverfahrens Restschuldbefreiung gewährt wird, ist die der Pfändung zugrunde liegende Forderung des Pfändungsgläubigers zwar nicht mehr durchsetzbar. Solange aber nicht feststeht, ob dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt werden wird, besteht ein berechtigtes Interesse des Pfändungsgläubigers am rangwahrenden Fortbestand der Pfändung.
Vgl. BGH, Beschluss vom 19.11.2020, Az.: IX ZB 14/20