15.06.2022 | Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem Urteil vom 24.02.2022 (6 AZR 333/21) eine richtungsweisende Entscheidung getroffen für das rechtmäßige Verhalten eines Arbeitgebers im Zusammenhang mit dem Angebot für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages.
Ausgangspunkt war der Vorwurf gegenüber einer Mitarbeiterin, Einkaufspreise für Waren in der EDV des Arbeitgebers unrechtmäßig reduziert zu haben.
In einem vom Arbeitgeber anberaumten Termin, dessen Inhalt der Mitarbeiterin angekündigt worden war, unterbreitete der Arbeitgeber den Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Verbunden war dies mit dem Hinweis darauf, dass bei fehlender Bereitschaft die Mitarbeiterin mit einer fristlosen Kündigung und einer Strafanzeige rechnen müsse. Nach ca. 10 Minuten Schweigen unter den Anwesenden in dem Termin hat die Mitarbeiterin den Aufhebungsvertrag dann unterzeichnet und 7 Tage später wegen widerrechtlicher Drohung angefochten sowie auf Feststellung der Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages geklagt.
Das BAG hat in letzter Instanz die Klage abgewiesen. Bei einer Gesamtschau ist das BAG zu dem Ergebnis gelangt, dass weder eine widerrechtliche Drohung noch ein Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns bejaht werden könne.
Das BAG verweist zutreffend darauf hin, dass die Drohung mit einer fristlosen Kündigung nur dann widerrechtlich sein kann, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen dürfte. Bei dem hier gegebenen Fall dürfte ein Arbeitgeber jedoch bei verständiger Würdigung eine fristlose Kündigung berechtigterweise in Erwägung ziehen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Androhung einer Strafanzeige. Auch bei einer solchen ist nach der Rechtsprechung des BAG darauf abzustellen, ob ein verständiger Arbeitgeber die Erstattung einer Strafanzeige ernsthaft in Erwägung gezogen hätte.
Beide Voraussetzungen hat das BAG hier bejaht, so dass die Arbeitnehmerin für sich nicht in Anspruch nehmen konnte, widerrechtlich durch eine Drohung zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt worden zu sein.
Schließlich hat das BAG auch keinen Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns gesehen. Das Gebot des fairen Verhandelns bezieht sich nicht auf den Inhalt des Vertrages, sondern auf den Weg zum Vertragsabschluss zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. In diesem Zusammenhang hat das BAG eine fehlende Fairness dann angenommen, „wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht“. Dies ist allerdings nur dann gegeben, wenn zum Beispiel ein Arbeitnehmer kreuzverhörähnlich und von Außenkontakten isoliert einer Situation ausgesetzt ist, bis er dann endlich aufgrund dieser äußeren Umstände den Aufhebungsvertrag abschließt. Solange dieses nicht gegeben ist, hat ein Arbeitnehmer die freie Entscheidung, ein Angebot anzunehmen oder nicht. Solange ihm diese Freiheit gelassen wird, wie es im vorliegenden Fall festgestellt wurde, ist das Gebot des fairen Verhandelns nicht verletzt.
In dieser Entscheidung hat das BAG deutlich gemacht, dass eine Kündigungsschutzklage nicht bereits dann Erfolg hat, wenn der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer aus verständlichen Gründen einen Aufhebungsvertrag anbietet, der nur sofort angenommen werden kann, da ansonsten nachvollziehbar und gerechtfertigt mit einer Strafanzeige und einer außerordentlichen Kündigung gerechnet werden müsse.